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  27.11.2006 - Von der Reise mit "Mücke" und "Schnee" / Teil1

Nachdem ich den letzten Reisebericht abgeschickt hatte, war ich mir wirklich nicht sicher, wie es weitergehen würde. Zum einen Mygga`s Probleme mit dem Schultermuskel, dann die (ja eigentlich noch bevorstehende) Invasion der Mücken und zu guter Letzt auch die Frage, wie es auf lange Sicht bei mir weitergehen würde. Ursprünglich war der Trip nach Schottland und Irland ja noch für dieses Jahr geplant gewesen.

Im Laufe der folgenden Wochen bekamen wir jedoch einen mächtigen Verbündeten – das Wetter. Schon während des Junis regnete es kaum und der Juli blieb so gut wie niederschlagsfrei. Das bedeutete für die nächste heranreifende Mückengeneration kurzer Hand das Aus und lies mich bereits Ende Juli an die Durchführung eines zweiten Versuches unserer Wanderung denken.
So kam es dann, das Lumi, Mygga und ich am 15. August aufbrachen, um es erneut mit der unnachgiebigen, lappländischen Wildnis aufzunehmen.
Schon am Abend vor dem Aufbruch hatte ich bei der ganzen Sache ein wesentlich besseres Gefühl als beim letzten Mal.
Alle geplanten Verbesserungen an der Ausrüstung sowie das Packen hatte ich rechtzeitig erledigt bzw. durchgeführt und so konnte ich mit Silke und Dirk ruhigen Gewissens einen letzten entspannten Abend in der solberg`schen Sauna verbringen (... wie mir das später fehlen sollte....).
Uwe und Rita, ein aus Deutschland ausgewandertes Ehepaar, erklärten sich bereit, mein „Team“ und mich bis an die norwegische Grenze zu fahren, von wo aus wir in Richtung Küste aufbrechen wollten. Bestimmt wurde meine Route durch die Proviant-Depots, die ich bereits für den ersten Versuch angelegt hatte, und auf die ich natürlich angewiesen war.
Wir starteten in Solberget bei schönem Wetter mit blauem Himmel und Sonnenschein. Je weiter wir jedoch unserem ca. 500 km entfernten, an den Ausläufern des Gebirges gelegenen Ausgangspunkt kamen, umso größere Wolkenberge türmten sich auf.
Nachdem wir nach längerer Suche eine geeignete Stelle zum Einstieg gefunden hatten, machte ich mich daran, zunächst Lumi und Mygga und dann mich selber zu beladen. Prompt viel mir natürlich auf, dass ich wieder viel zu viel mitgenommen hatte – seufz.
Da wir alle (vor allen Dingen Lumi) von der langen Autofahrt ziemlich müde waren, setzte ich für diesen Tag lediglich das Ziel, den direkt vor uns liegenden Berg zu erklimmen und auf dessen Gipfel das erste „Camp“ zu errichten.
Während um uns herum das erste Gewitter los krachte machten wir uns auf den steilen und mühseligen Weg – die voll beladenen Packtaschen und Rucksäcke machten es uns nicht gerade einfach.
Als wir dann prustend und schwitzend den Gipfel stürmten fanden wir auch bald eine geeignete Stelle zum campieren, mit reichlich Wasser und einem herrlichen Ausblick auf das unter uns liegende, mit zahlreichen Seen durchsetzte Tal.



Ob aufgrund des Gewitters oder aufgrund der Trockenheit vorangegangener Wochen – nur vereinzelte Mücken ließen sich blicken und so fielen wir alle drei recht bald in einen ruhigen, entspannenden Schlaf.
Am nächsten morgen weckte uns die Sonne, die am wolkenfreien, blauen Himmel schien. Nach einem ausgedehnten Frühstück, der Morgenwäsche und der üblichen Spielstunde mit Mygga, machten wir uns auf den Weg. Der Abstieg in das Tal machte bei diesem Wetter richtig Spaß und auch die Durchquerung der Senke, vorbei an den wunderschönen Seen lies die Stimmung höher schlagen. Schließlich kamen wir an die erst kleine Brücke, die es zu überqueren galt. Da Lumi mit den beiden Packtaschen für die schmale Brücke zu breit war, entschied ich mich dafür, ihn an der Brücke vorbei durch den Fluß zu führen, der sehr wenig Wasser führte. Mygga nahm ich während dieser Aktion die Tragetaschen ab und ließ sie in der Gegend herumtollen. Das sollte der erste große Fehler unserer Reise sein. Denn im um liegenden Gelände lagen Metallreste einer alten, ausrangierten Brücke herum. Zunächst dachte ich mir nichts weiter dabei, doch als wir dann ca. zwei Stunden später hinter der nächsten Bergkuppe eine Rast einlegten, viel mir auf, das Mygga eine Blutspur am Boden hinterließ. Nach eingehender Untersuchung ihrer Pfoten entdeckte ich einen ziemlich tiefen Schnitt an ihrem linken Vorderfuß direkt über den Fußballen – eine ungünstige
Stelle. Immer dann, wenn sie anfing zu gehen, wurde die Wunde aufgezogen bzw. zugedrückt. An Heilungschancen in absehbarer Zeit ist (aus jetziger Sicht) eigentlich nur zu denken, wenn der Hund ruhig gestellt und die Wunde regelmäßig gereinigt und verbunden wird.
Ich errichtete also unser Camp direkt am Rastplatz, der sich mit mehreren nahe gelegenen Seen und üppiger Vegetation durchaus dazu eignete, um länger zu verweilen.

Die nächsten zwei Tage kämpfte ich tatsächlich mit dem Gedanken aufzugeben – wie sollten wir den Weg bis an die Küste (und wieder zurück) schaffen, wenn Mygga nicht 100%-ig einsatzfähig war ? Eine zeitlang dachte ich daran, sie irgendwo für die Dauer der Tour abzugeben – aber ohne sie wäre das nicht dasselbe. „Wenn wir weitergehen, dann nur zu dritt !!“
Ich entschloss mich dazu, noch 2-3 Tage zu warten, bis die Wunde halbwegs verschlossen war und dann zu versuchen, weiter zu wandern. Am Abend zog überraschend Nebel auf, so dicht, dass man gerade mal 5-10 Meter weit sehen konnte. Der Nebel blieb für 2 Tage und ließ mich meine Entscheidung etwas leichter akzeptieren – beladen mit knapp 30 Kilo plus Hund und Rentier an den Leinen einen Abstieg über glitschige Steine bei so geringer Sicht zu wagen, kann wirklich gefährlich werden. Es reicht schon, dass der Hund aufgrund irgendeines Geräuschs oder Geruchs ruckartig anzieht, um einen aus dem Gleichgewicht zu bringen. Der Sturz ist quasi vorprogrammiert.

Am fünften Tag des Wartens, zeigte sich das Wetter dann von seiner freundlicheren Seite und ich entschied mich, einen Versuch zu wagen. Ich baute das Camp ab, verband Mygga`s Wunde und zog ihr zum Schutz einen so genannten „Bootie“ über den Verband, einen extra für Hunde angefertigten Stoffschuh. Dann begann der steile Abstieg in das nächste Tal. Unser Ziel war das Hotel in Lönsdal, wo das erste Proviantpaket auf uns wartete.

W ir brauchten entgegen meiner Planung doch 2,5 Tage um in Lönsdal anzukommen und mussten auf dem Weg dorthin zwei Hängebrücken überqueren.



Immerhin führen diese Brücken teilweise über reißende Flüsse und besitzen fast ausschließlich Gitterböden aus Metall, d.h. das Rentier kann das Wasser sehen !! Dazu kommt noch, dass sie je nach Länge und momentaner Windgeschwindigkeit mehr oder weniger stark schaukeln.
Beim Erreichen der ersten Brücke nahm ich Lumi also vorsorglich die Packtaschen ab und machte Mygga an einem der nächsten Bäume fest, damit sie uns nicht dazwischen funken konnte. Auch ich selbst legte meinen Rucksack ab und versuchte dann langsam und vorsichtig, Lumi auf die Brücke zu führen. Diese überquerte er zu meinem Staunen ganz ohne sich zu sträuben –als ob er nie etwas anderes getan hätte. Ich war so erleichtert und natürlich auch beeindruckt. Hängebrücken waren eine der vielen schwer einschätzbaren Variablen der Wanderung gewesen.
Es sollten insgesamt 7 weitere Hängebrücken folgen (die längste bei Lönsdal mit ca. 20 metern) sowie diverse schmale Holzbrücken ohne Geländer– und Lumi folgte mir völlig selbstverständlich über jede einzelne. Ganz zu schweigen von Mygga, die, wann immer sie von weitem eine Brücke ausmachen konnte, noch einen Zahn zulegte um sie möglichst als erste zu überqueren...wie ein Wirbelwind ....hin und zurück und hin und zurück und hin und zurück....als ob es nix schöneres auf der Welt gäbe als Hängebrücken (...na ja...doch : ihren Tennisball ;-).
Während der Wanderung nach Lönsdal wurden mir zwei Sachen bewusst : zum einen hatte ich die Reisegeschwindigkeit völlig falsch eingeschätzt. Anstelle von geplanten15-20 km täglich hatten wir es durchschnittlich auf 8-10 km am Tag gebracht. Einerseits lag das am Schritttempo von Lumi, nach dem wir uns richten mussten und andererseits musste ich ihm genug Zeit zum fressen und verdauen geben, was ja bei Wiederkäuern bekanntermaßen etwas Zeit in Anspruch nimmt.
Und zweitens musste ich eine Entscheidung bezüglich der knapp 15 kg Rentierfutter treffen, die ich mit mir führte. Das hieß nämlich, dass ich mich mit ca. 30 kg auf dem eigenen Buckel herumquälen musste, was mich in Kombination mit dem Kontrollieren der beiden Tiere dermaßen auslaugte, dass ich an Sinn und Zweck der ganzen Unternehmung etwas zu zweifeln begann.....
Mir war aufgefallen, dass Lumi sich eher auf das ihn umgebende Grünfutter stürzte, als auf das mitgebrachte Kraftfutter und so traf ich in Lönsdal den Entschluss, das gesamte Rentierfutter kurzerhand zu entsorgen und Lumi zukünftig ausgewählte Grünflächen zum abgrasen als Ersatz anzubieten. Ob ihm die Vegetation der norwegischen Bergwelt genug Energie für die Wanderung liefern würde, musste sich erst noch herausstellen. Immerhin machen frei lebende Rentiere den ganzen Tag nichts anderes als fressen und wiederkäuen, fressen und wiederkäuen usw. – Lumi musste allerdings ungefähr 5 Stunden mit uns wandern, in denen er keine Möglichkeit zur Nahrungsaufnahme hatte.

Mir war klar, dass wir unser Ziel bei unserem Reisetempo wahrscheinlich nicht vor dem ersten Schnee erreichen würden. Zudem stellte sich die Frage, ob der Proviant für die sich daraus ergebenden zusätzlichen Wandertage ausreichen würde. Kurzerhand halbierte ich die Strecke indem wir bereits von Lönsdal aus den Rückweg nach Schweden antraten. Dieser sollte uns noch ungefähr 100 km in den Norden Norwegens bis nach Sulitjelma führen. Von Sulitjelma aus wollten wir dann in östlicher Richtung zurück auf die schwedische Seite wechseln und die etwa 100 km bis nach Kvikkjokk wandern, dem Ziel unserer Reise.

Der Weg bis nach Sulitjelma hat mich landschaftlich am meisten beeindruckt, was vielleicht auch daran liegt, dass das Wetter abgesehen von ein paar Wolkenbrüchen die gesamte Zeit auf unserer Seite war. Zunächst führt der Wanderpfad durch ein enges, tiefes, von einem Fluß durchzogenes Tal, das zu dieser Jahreszeit von Pflanzen jeglicher Art überwuchert ist und mich zeitweise an Bilder vom tropischen Regenwald erinnerte.



Nach ca. 20 km gelangt man auf die erste Hochebene, das Tal wird deutlich breiter – die Vegetation wird spärlicher. Nach nochmals ca. 20km vorbei an einem riesigen Rentierzaun der Samen, öffnet sich das Tal vollends und gibt den Ausblick auf den großen See „Balvatnet“ frei. Bei guter Sicht erkennt man in dessen Hintergrund die Gletscher Sulitjelmaisen und Blaumannsisen. Der Anblick ist wirklich Atem beraubend.



Nach einem entspannten „Day off“ direkt am Ufer des See’s machten wir uns auf den Weg zu dessen Nordspitze um letztlich das ungefähr 20km nördlich gelegene Sulitjelma zu erreichen.
Der Wanderpfad führt über eine leicht hügelige Ebene entlang des Seeufers bis zur Nordspitze. Hier liegt eine kleine Ferienhaussiedlung. In dessen Nähe trafen wir das erste Mal einige Wanderer, die hier größtenteils auf der Suche nach Pilzen und Beeren waren. Die Reaktionen auf unser „Gespann“ waren verschieden : einige standen nur da mit weit geöffneten Mund und sagten gar nichts - andere zeigten sich hingegen sehr interessiert und stellten viele Fragen. Ein solches Interview war immer eine ziemlich stressige Sache, da Lumi die Pause konsequent zum Äsen nutzte wohingegen Mygga mein Unaufmerksamkeit dazu gebrauchte, allerlei Unfug zu treiben. Zum Beispiel das Rentier zu ärgern oder sich ein paar mal um mich herumzuwickeln, so dass ich fast bewegungsunfähig war. Zu dem übersah ich eine Wegabzweigung und so landeten wir direkt in der kleinen Ferienhaus-Siedlung. Als willkommene Abwechslung wurden wir herzlich in Empfang genommen und von Jung und Alt begutachtet – was für die Tiere ziemlichen Stress bedeutete. Was war ich froh als wir da heile raus waren.
Um dennoch auf den Wanderpfad nach Sulitjelma zu gelangen, mussten wir einen ungefähr 3 km langen Umweg auf der Landstraße machen. Bereits nach ca. 200m wurde ich auf eine Art Tipi aufmerksam, dass am Straßenrand aufgebaut war. Daneben stand ein Pick-Up der für meine ungeschulten Augen verdächtig nach Hundetransporter aussah. Kaum 2 Sekunden später sah ich den ersten Hundekopf aus dem Gras hochschnellen – dann folgte der nächste, zwei, drei, vier ......das war ein ganzes Rudel, das da im Gras lag!!
Gleichzeitig startete ein Ohren betäubendes Gekläffe, was wohl auf die Anwesenheit von Lumi und Mygga zurückzuführen war. Trotz aller Versuche der Hundehalter die Meute zu beruhigen, krakelten die Monster weiter aus Leibeskräften. Interessant war jetzt die Reaktion meiner zwei Gefährten. Mygga sah in den zahlreichen Artgenossen natürlich in erster Linie Spielgefährten – also nix wie hin, wohingegen Lumi, völlig panisch, alles versuchte um sich davonzumachen. .....und ich relativ hilflos dazwischen.
Lumi schaffte es tatsächlich, Mygga und mich in die Büsche auf der anderen Straßenseite zu ziehen. Hier kämpften wir uns dann an der Hundemeute vorbei – Puh, das war knapp.

Der hüglige Weg nach Sulitjelma führte uns zwei Tage lang durch eine beeindruckende Landschaft und endete in einem winzigen Dorf, das im Wesentlichen aus ungefähr 10 Ferienhäusern, einer Jugendherberge und einem Cafe besteht. Zu dem Zeitpunkt als wir dort eintrafen war es wirklich völlig verlassen. Erinnerungen an alte Cowboy-Filme kamen in mir hoch, als ich mit Lumi und Mygga auf der Schotterstraße durch den leblosen Ort zog und unsere Schrittgeräusche die Stille zerissen.
Von hier aus hatten wir zwei Möglichkeiten, um das ungefähr 800 Meter tiefer gelegen Sulitjelma zu erreichen. Entweder über die (leider) stark befahrene Landstraße oder über einen kleinen Trampelpfad, der auf einer meiner Karten eingezeichnet war. Natürlich erschien es mir sicherer, auf dem Trampelpfad in das Tal zu gelangen und so machte ich mich auf die Suche nach dem Einstieg, was sich als schwieriger herausstellte als erwartet. Ein Beerenpflücker, den ich traf, erzählte mir, bei dem auf der Karte eingezeichneten Pfad handle es sich um einen sehr alten Weg, der heute gar nicht mehr genutzt wird. Leider wusste er nicht, wo genau er beginnt.
Glücklicherweise traf ich bald darauf eine Norwegerin, die seit ihrer Kindheit in ihrem etwas weiter im Wald gelegenen Haus lebt. Sie erzählte mir, dass sie früher den„Alten Weg“ benutzt hätten, um nach Sulitjelma zu gelangen. Kurzerhand drehte sie sich um und deutete mir ihr zu folgen. Nach einem kurzen Fußmarsch zeigte sie nach rechts und tatsächlich : mit etwas Phantasie konnte man einen ausgetretenen Pfad erkennen. Ich dankte der Frau und wir begannen den Abstieg in das Tal.



Fortsetzung folgt....







 
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